Buntes Brasilianisches Basteln

von Kira, Mai 2010

Was es ansonsten noch so gibt? Genau die Arbeit – warum wir ja eigentlich hier sind, neben Kulturaustausch und Sprache hin oder her, mit der ich im Übrigen inzwischen mehr als zufrieden bin. Auch wenn der Basar und die Klamotten im Moment nicht unbedingt zu meinen Lieblingsaufgaben gehören, sind da immer noch die Kiddies im Casa. Und irgendwie habe ich es mir zur Aufgabe gemacht jede Woche „Kunstunterricht“ mit ihnen zu machen. Es ist einerseits schon so selbstverständlich geworden, dass Junior, der eigentliche Lehrer im Casa, immer öfter zu mir sagt „Der Raum gehört jetzt dir, Kira.“ und anschließend für die restliche Zeit in der Küche verschwunden ist. Und es andererseits immer noch etwas so Besonderes ist für die Kleinen, dass die Freude bei ihnen kaum zu übersehen ist. Meine Taktik um alle auf einmal in Schach zu halten, ist inzwischen zwar dazu mutiert, dass nicht unbedingt immer jeder auf jeden wartet und wir alles zusammen fertig machen, schön geordnet, beinah deutsch, sondern es immer einige im gleichen Tempo gibt, die im Endeffekt zusammen fertig werden. Also um es einfach zu sagen: solange sie alle arbeiten, genügend zu tun haben, nicht richtig Zeit haben, um ordentlich durchzuatmen, vielleicht auch das eine oder andere Mal etwas überfordert sind, sind sie untereinander verträglicher, beinah friedlich. Sie lassen dann Schuhe und Flipflops unter dem Tisch und ziehen sie sich nicht gegenseitig aus, um sich damit anschließend zu traktieren und lassen Stühle wirklich Stühle bleiben. Und langsam aber sicher sind doch schon Fortschritte zu sehen – sowohl was ihre Bastelkünste und Motorik angeht als auch was das Verhalten betrifft. Es können inzwischen alle ein Schere halten, was für jemanden mit neun Jahren in Deutschland als selbstverständlich gilt, hier aber keineswegs vorauszusetzen ist. Oder Hexentreppen falten und mehr oder weniger eine Schablone benutzen. Sie sind sogar dabei, mehr und mehr ihr Durchhaltevermögen bis an ihre Grenzen zu treiben und auch ihre Sachen zu Ende zu bringen – naja, meistens. Und doch gibt es zwischendurch immer wieder die Momente, in denen ich denke, dass nun alles auf einmal zusammenfällt, außer Kontrolle gerät, weil einfach doch zu viele Kiddies auf einmal wieder die unmöglichsten Dinge erfinden, entdecken, ausprobieren oder einfach mal rumbocken, weil sie nicht direkt als Erste an die Reihe gekommen sind. Aber was soll’s, es sind doch nur Kinder, also lass sie auch Kinder sein. Das gehoert eben auch dazu. Und dazu bin ich und vor allem meine Geduld hier enorm gewachsen. Und somit mache ich mich morgen mit einem Stapel Mandalas, grünen, gelben und blauen Buntstiften, gleichfarbigem Creppapier sowie einer Wäscheleine inklusive Wäscheklammern auf den Weg ins Casa. Denn in weniger als 31Tagen fängt die Weltmeisterschaft und damit auch der eigentliche Ausnahmezustand in Brasilien an. Und warum sollte da das Casa undekoriert aus der Reihe fallen?
Demnach geht es morgen in eine weitere Schlacht.