Räumchen wechsel Dich: Ein Blick durchs Schlüsselloch

 von Kira, Oktober 2009

Zimmer wechsel dich! Und das hat es des Öfteren getan – jedenfalls für mich. Wir kamen zunächst zu zweit, Max und ich, nach Brasilien mit der Zusage: ihr bekommt eure eigene Wohnung. Aber nichts da! Kaum angekommen standen wir schon in unserer zukünftigen Familie, die im Übrigen auch erst auf dem Weg vom Flughafen zu ihnen von ihrem Glück – nämlich uns – erfahren hat, genauso wie wir von ihnen. Also geniale Vorbereitung für beide Seiten. Wie auch immer. Eine wirklich super Großfamilie bestehend aus mindestens 95% weiblichen Mitgliedern und einfach zum gerne haben – herzlich Willkommen Familie Nummer 1! Und da Vera, die 3te Freiwillige für Brasilien von IN VIA, auch noch kam, platzte irgendwann das Haus aus allen Nähten, denn das Zimmer, was wir uns teilten, war zwar groß genug für 3, aber auf Dauer zu 3t in einem Zimmer zu leben, in dem das Badezimmer keine Tür hat und es somit Schichttoilettengänge geben muss? Alles andere als einfach. Der Hauptgrund war aber unser Gastvater, der an Alzheimer erkrankt ist und sehr viel Pflege und Hilfe benötigt. Und da hatte die Familie schon ohne uns sehr viel Arbeit und wir wollten nicht im Wege sein, obwohl wir alle 3 herzlich Willkommen waren! Und schneller als ich meine Sachen packen konnte, standen wir auf einmal in unserer ersten eigenen Wohnung. Naja, mehr oder weniger eigenen Wohnung. Sie gehört einer Freundin von Emaús, mit der wir nun eine Generationen-WG führen, denn sie kommt eigentlich irgendwie nur zum Schlafen her und um uns Essen anzudrehen. Sie hat unter unserer Wohnung eine eigene Apotheke, in der sie ihre gesamte Zeit verbringt. Aber nicht nur sie verbringt da ihre gesamte Zeit, sondern ein großer Teil ihrer Verwandtschaft auch. Also Großfamilie Nummer 2 in Brasilien für mich: herzlich Willkommen! Soweit, so gut. Doch dann kam Airton auf mich zu, einer der Emaús 24/7 lebt. Also 24 Stunden und 7 Tage die Woche. Ob ich nicht bei ihnen – das sind er, seine Frau, 3 Kinder von 1 bis 12 Jahren, eine Haushälterin und 1 bis 2 oder auch mal 3 wöchentlich oder monatlich wechselnde diverse brasilianische und ausländische Praktikanten oder Freunde von Emaús – vorrübergehend wohnen möchte, um besser Portugiesisch zu lernen. Und bei meinem nicht vorhandenem Sprachtalent, Portugiesischkenntnissen, die ein Zeigewörterbuch benötigen würden, und vor allem einem fehlendem Sprachkurs steckte ich von heute auf morgen in der nächsten großen Familie. Großfamilie Nummer 3 für mich: auch hier herzlich Willkommen! Diesmal war ich ganz allein in einem brasilianischen Sprachflash. Aber wie gesagt, nur vorrübergehend. Denn nun lebe ich wieder mit Vera, Max und Rosa zusammen unweit von Emaús und dem Casa do fazer entfernt, teile mir ein Zimmer, eine Hängematte, ein Bett, einen Eimer als Toilettenspülung, und eine Jesus- und eine Mariafigur mit Vera, habe eine Ordnung in meiner Tasche, die der eines Umzugskartons ähnelt und man kennt mich inzwischen in mehr als nur einem Stadtteil und auch ich kenne mindestens jeden 2ten Bewohner des Hauptstraßenabschnittes zwischen unserer Wohnung und Emaús.