Ein typischer Tag in Vila Velha

Franziska Wild war 2009 eine von vier Freiwilligen, die erstmals mit Hilfe von weltwärts Entwicklungszusammenarbeit ganz hautnah im Casa do Fazer erfahren konnten. Sie unterstützte die Arbeit im Casa auf vielfältige Art und Weise, besonders in der Nachhilfeschule. Einen typischen Arbeitstag beschrieb sie folgendermaßen:

Fortschritte?

6:30Uhr – und der Wecker klingelt!
Frühstücken, Duschen, Zeugs zusammensuchen – los gehts!
An der Bushaltestelle wache ich so langsam richtig auf. Ich muss aufpassen, dass der Bus nicht einfach vorbeirast, so wie gestern, dann muss ich noch mal 15 min. warten.
Ah da ist er ja – winken – und er hält! Also Kleingeld raussuchen und reinspringen.
Der Busfahrer kennt mich schon, lässt mich nach 40 min. Busfahrt genau an der Ecke raus und lächelt mir noch ein „Bis morgen!“ hinterher.
Der Weg durch die Vila Velha ist mir schon vertraut, Pfützen und streunenden Kühen ausweichen bringt nicht mehr den aufregenden Effekt vom Anfang.
Kurz vor dem Ziel kommt Eduardo, der Jüngste der Kinder in der Nachhilfeschule auf mich zugerannt.
-„Oi tia! Ich komme heute nicht in den Unterricht, ich muss meiner Oma helfen.“
Eduardo ist noch nicht in der Schule, kommt aber trotzdem, um seine Oma zu entlasten. Diese zieht drei ihrer Enkel auf, da ihre Tochter, die Crack nimmt, diese nicht mehr ernähren kann.
Aus der Schule kommen mir schon laute Stimmen entgegen.
– „Oi tia!“
Die ganze Rasselbande kommt auf mich zugerannt. Junior, der neue Lehrer, ist schon da.
Wir teilen die Gruppe erst mal auf, diejenigen, die Hausaufgaben haben und die anderen in die zweite Gruppe. Heute haben fast alle Hausaufgaben.
Morgens ist es ruhig, es sind nur 22 Kinder und fast alle schon in der 3. Klasse oder älter.
Ich setze mich zu einer Schülerin.
-„Was musst Du machen?“
-„Mathe.“
Was ein Glück, bei Portugiesischaufgaben ist es immer sehr anstrengend zu helfen.
Also Mathe! Da viele schriftlich multiplizieren müssen, beschließen wir, es an der Tafel einmal zu zeigen und danach Aufgaben zu stellen.
Einige der Kinder verstehen sehr schnell das Prinzip, bei anderen muss man noch ein bisschen nachhelfen.
Um 10.45 Uhr ist Pause für die Kinder, wir helfen beim Mittagessen kochen.
„Merenda – Pause!“ Alle rennen schreiend in Richtung Toilette, um sich die Hände zu waschen.
Wir teilen Kekse und einen Saft für jeden aus. Danach gehen sie nach Hause.
Für uns heißt es erst mal die Nachmittagsstunde vorbereiten und danach essen auch wir.
Nachmittags versuchen wir die Koordination der Kinder zu trainieren, denn fast keiner der 30 Schüler kann lesen. Wir teilen Schablonen aus, damit die Kinder diese abpausen können. Nebenbei betreuen wir diejenigen, die Hausaufgaben haben.
Die drei Kinder aus höheren Klassen bekommen die Aufgabe, einen Brief zu schreiben.
Jonathan versucht, mit seinem gebrochenem Arm, einen Brief an seine Mutter zum Muttertag zu schreiben. „Was soll ich denn noch schreiben? Also ich hab schon: ‚ich liebe dich sehr, danke für Alles!’“ Mit Hilfe von seinem Bruder verschönert er den Brief noch mit ein paar Herzen – fertig!
Es ist wie immer schwierig, die Kinder mit Hausaugaben zu betreuen, fast niemand kann vorlesen, was er in der Schule von der Tafel abgemalt hat. Mit vereinter Kraft klappt es aber doch noch, die Aufgaben zu beantworten.
Nach drei Stunden Unterricht und einem Kricketspiel mit den Kindern gibt es Essen.
Heute: Bohnen mit Reis und Huhn. Die Kinder freuen sich.
Als die Kinder gegangen sind, packen auch wir nach dem Aufräumen unsere Sachen und gehen nach Hause.